Hegau Bodensee Seminar

UND KUNST GEKNEBELTVON DER GROBEN MACHT

Di, 25.1.22, 18 Uhr: Insa Pijanka (Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie)

Corona bedingt kann die Präsenzveranstaltung ausschließlich für SchülerInnen angeboten werden. Alle Interessierten sind aber herzlich dazu eingeladen, dem Vortrag online zu folgen.
Zum Vortrag online direkt geht es über den QR Code oder über den folgenden Weblink.

Das 20. Jahrhundert ist ein politisches Jahrhundert. Politik und Ideologie hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Kunst und so auch auf die musikalische Entwicklung. Kampf und Befreiung, Trauer, Empörung, Klage – kulminiert im grausamen Erlebnis zweier Weltkriege. All dies findet sich in der Musik genauso wieder, wie Utopie und die Hoffnung auf Frieden. Für viele Komponisten rückte das Politische, die gesellschaftliche Verantwortung, ins Zentrum ihres Schaffens. Gerade sie gerieten immer wieder in beispielhafter Weise zwischen die Fronten: Dmitri Schostakowitsch ist ein sprechendes Beispiel.

Das Revolutionsjahr 1917 erneuerte auch die Musik radikal. Die Grenzen dieses Aufbruchs wurden jedoch nur zu bald deutlich: Bereits Ende der 20er-Jahre begann in der Sowjetunion die Hetzjagd gegen „klassenfeindliche“ und „fremde Elemente“. Das Ziel des Aufbaus des Sozialismus verlangte nicht nach einer kritischen Avantgarde, sondern nach einer Kunst, welche die „richtigen“ Themen aufgriff: das „glückliche Leben des Volkes“, Heroismus, Patriotismus, Militarismus, Agrar- und Landkult, sportlich-asketische Körper, Massenaufmärsche. „Sozialistischer Realismus“, der
Schlachtruf und Genrebegriff, war ideologischer Überbau. Die Abschaffung der künstlerischen Moderne und Avantgarde, die Indienststellung des kleinbürgerlichen Spießertums, die mit der wahren real-sozialistischen Realität wenig gemein hatten, das war die tatsächliche sozialistische Realität. Böse-ironisch literarisch gebrochen vom großen sowjetischen Spötter Bulgakow, meisterhaft im „Wohnraum auf Rädern“. Schostakowitsch wird zu solch einem „klassenfeindlichen
Element“, seine Musik unspielbar. Gleichzeitig findet er in seiner Musik immer wieder Möglichkeiten diese verordnete „Sprachlosigkeit“ zu durchbrechen. Seine Werke zeigen die
ungeschönte Fratze der Diktatur; klagen Freiheit ein, wo Unfreiheit herrscht; erkämpfen das Recht des Einzelnen auf Individualität und Meinung.


Insa Pijanka, geboren 1974 in Mannheim, hat an der Universität Mannheim und der London School of Economics and Political Science Politische Wissenschaften, Neuere Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Soziologie studiert. Seit ihrer Kindheit ist sie der Oper verbunden – zunächst am Nationaltheater Mannheim im Kinderchor, später in der Opernstatisterie und schließlich, nach dem Studium, bei der »Internationalen Orchesterakademie Mannheimer Schule«. Unter der künstlerischen Leitung von Adam Fischer hat sie die Dramaturgie, Pressearbeit und Organisation verantwortet.


Im September 2002 wechselte Insa Pijanka als Konzertdramaturgin und Orchesterdirektorin an das Staatstheater Kassel. 2007 gründete sie gemeinsam mit GMD Patrik Ringborg die Orchesterakademie des Staatsorchesters Kassel e.V. Ein gemeinnütziger Verein, welcher junge
Orchestermusiker bei ihrem Berufseinstieg unterstützt, die Stelle einer Konzertpädagogin schuf sowie die vielseitige Jugendarbeit des Staatsorchesters fördert. Seit Januar 2019 ist Insa Pijanka Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz.


Neben der organisatorischen und künstlerischen Arbeit für ein Orchester sind Insa Pijanka dramaturgische Tätigkeiten ein besonderes Anliegen. Einführungen vor den Sinfoniekonzerten in der Kasseler Stadthalle wie jetzt auch vor den Philharmonischen Konzerten der Südwestdeutschen
Philharmonie im Bodenseeraum hat sie als festen Bestandteil des musikalischen Programms etabliert. Sie arbeitet als Dramaturgin immer wieder in den Bereichen Oper, Musical und Schauspiel, konzeptioniert Lesungen und führt als Moderatorin durch die unterschiedlichsten Programme vom Neujahrskonzert bis zum Open Air. Besonders am Herzen liegen ihr die etwas »abseitigen« Wege des Repertoires: Ob Filmmusik-Konzerte oder Shows mit Musik von ABBA,
QUEEN, SWING, DISCO, mit Musik der 70er und 80er Jahre zeigen, welche Vielseitigkeit das musikalische Repertoire eines Orchesters bieten kann.