Ein Teil der Woke-Bewegung wird zur Gefahr für das Zusammenleben
Prof. Dr. Jérôme Endrass
(Co-Leiter AG Forensische Psychologie, Universität Konstanz)
Wann? | Mo, den 12. Mai 2025 18 Uhr |
Wo? | Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, R346 & leider doch nicht live online |
Eintritt | frei |
Protokoll zum Vortrag von Professor Endrass
Professor Endrass eröffnete seinen Vortrag mit einer eindringlichen Statistik von Statista, die zeigt, dass Deutschland in Bezug auf Antisemitismus weit oben rangiert. Er wies darauf hin, dass Juden die religiöse Gruppe sind, die am meisten von „Hate Crimes“ betroffen ist. Interessanterweise sind Muslime selbst am stärksten vom Islamismus betroffen. Auch wenn die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland abnimmt, nehmen Gewaltdelikte insgesamt zu, was Anlass zur Sorge gibt.
Der Begriff der forensischen Psychologie wurde erläutert, wobei Professor Endrass betonte, dass es darum geht, Personen einzuschätzen und zur Prävention von Straftaten beizutragen. Früher erfolgte die Radikalisierung schrittweise und hatte eine klare ideologische Grundlage, wie beispielsweise bei der RAF. Heute hingegen dienen Ideologien eher als Gewaltlegitimierung, was die gesellschaftliche Lage komplizierter macht.
Ein zentrales Thema des Vortrags waren die Merkmale von Verschwörungsmythen. Professor Endrass identifizierte mehrere Schlüsselelemente, darunter die Vorstellung einer angeblichen geheimen Verschwörung, eine Gruppe von Verschwörern und die Annahme, dass nichts zufällig geschieht. Diese Mythen suggerieren ein eindeutiges Gut-Böse-Schema und nutzen „Beweise“ zur Untermauerung ihrer Thesen, während bestimmte Menschen oder Gruppen als Sündenböcke dargestellt werden.
Die Verschwörungsmentalität wurde ebenfalls thematisiert. Professor Endrass nannte Faktoren wie geringe Selbstwirksamkeit, eine niedrig wahrgenommene Intelligenz, eine Orientierung an sozialer Dominanz sowie eine negative Haltung gegenüber Autoritäten. Soziale Unsicherheit spielt eine große Rolle, insbesondere in Kontexten von persönlicher Krise oder Stress, wo Gefühle der Bedeutungslosigkeit und der fehlenden Kontrolle verstärkt auftreten.
Ein weiteres Konzept, das Professor Endrass vorstellte, war der „Salatbar“-Extremismus. Dieser beschreibt „zusammengezimmerte“ Ideologien, die keine klare Einordnung in traditionelle politische Kategorien wie Links oder Rechts zulassen, was zu einem inkonsistenten Weltbild führt. Ein Beispiel für diesen Extremismus ist QAnon, das eine geheime Elite aus Politik und Medien postuliert, die einen globalen Kinderhändlerring betreibt, wobei Donald Trump als „Retter“ dargestellt wird, der diesen Ring zerschlägt.
Professor Endrass erläuterte auch das Phänomen der Incels (involuntary celibates), die als Brückenideologie fungieren, indem sie keine in sich geschlossene Ideologie vertreten, sondern Verbindungen zu anderen Ideologien schlagen. Antisemitismus ist ein wichtiges Element bei vielen Verschwörungsmythen und wirkt als Katalysator, der viele extremistischer Ideologien miteinander verbindet. Besonders bemerkenswert ist, dass die extreme Linke in Frankreich 2024 die meisten antisemitischen Vorurteile aufweist.
Insgesamt bot der Vortrag von Professor Endrass tiefgehende Einblicke in die aktuellen Herausforderungen im Bereich Antisemitismus und Extremismus und regte zur Reflexion über die gesellschaftlichen und psychologischen Hintergründe dieser Phänomene an.