Chemie trifft Biologie: Von DNA- und RNA-Schädigungen zu deren Reparatur in unseren Zellen
Prof. Dr. Andreas Marx
(Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena)
| Wann? | Fr, 19. Dezember um 11:25 Uhr |
| Wo? | Alexander-von-Humboldt Gymnasium, Konstanz (Mensa) |
| Eintritt | frei Um Anmeldung wird gebeten an procopan@avh.schulen.konstanz.de |
Der Mensch besitzt etwa 20.000 Gene. Das ist nur rund fünfmal so viel wie beim Bakterium Escherichia coli (E. coli) und sogar weniger als die Genanzahl mancher Pflanzen (z. B. Kartoffel oder Kohl). Diese Tatsache ist verblüffend und wirft die Frage auf: Wie kann es sein, dass wir Menschen trotzdem so viel komplexer sind als diese einfacheren Organismen? Außerdem stellt sich die Frage, welche Mechanismen hinter dieser Komplexität stecken und wie fein abgestimmte Signalnetzwerke im Körper unser inneres Gleichgewicht (Homöostase) aufrechterhalten.
Ein wichtiger Teil der Antwort liegt in der Chemie der Zelle. Forschende haben inzwischen eine Reihe von Mechanismen entdeckt, die diese zusätzliche Komplexität ermöglichen. Proteine und die Erbmoleküle DNA und RNA können nach ihrer Entstehung noch chemisch verändert werden. Diese nachträglichen Veränderungen (sogenannte posttranslationale Modifikationen) beeinflussen die Funktion der Biomoleküle und erlauben es der Zelle, die Aktivität von Proteinen präzise zu steuern. So kann eine Zelle flexibel auf verschiedene innere und äußere Signale reagieren.
Besonders interessant für uns sind in diesem Zusammenhang zwei Arten solcher Modifikationen: Ubiquitin und Poly(ADP-Ribose). Ubiquitin ist ein kleines Protein, das wie eine Markierung an andere Proteine angehängt wird. Poly(ADP-Ribose) ist eine Kette aus speziellen Bausteinen (ähnlich den Bausteinen der DNA), die ebenfalls an Proteine angeheftet werden kann. Die Arbeitsgruppe von Prof. Marx erforscht diese besonderen molekularen Anhängsel mit Hilfe neuer chemischer Methoden, um besser zu verstehen, wie sie die Funktionen der Zelle beeinflussen.
Eines der überraschendsten Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten war die Entdeckung eines bislang rätselhaften menschlichen Proteins namens C12orf29. Mit Hilfe einer neu entwickelten chemischen Sonde, die gezielt Proteine mit bestimmten Modifikationen aufspürt, konnte C12orf29 isoliert und identifiziert werden. Dabei stellte sich heraus, dass C12orf29 das erste bekannte menschliche Enzym ist, das RNA-Moleküle wieder zusammenfügen kann. Diese RNA-“Verklebung” (Ligierung) erfolgt in drei Schritten und benötigt Energie in Form von ATP (dem universellen Energieträger der Zelle).
Um die Funktion von C12orf29 genauer zu untersuchen, wurde dieses Enzym sowohl im Reagenzglas (biochemische Experimente) als auch in lebenden Zellen und sogar in Zebrafischen getestet. Dabei zeigte sich, dass C12orf29 eine zentrale Rolle bei der Reparatur von RNA in Wirbeltieren spielt. Die Erforschung dieser RNA-Reparatur steht noch am Anfang, birgt jedoch enormes Potenzial und könnte in Zukunft zu wichtigen neuen Erkenntnissen führen.
Professor Dr. Andreas Marx ist seit August 2024 Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zuvor war er von 2004 bis 2024 Professor für Organische Chemie und Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz, wo er maßgeblich zur Forschung und Lehre in diesem dynamischen Fachbereich beigetragen hat.
Nach seinem Chemiestudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Ruhr-Universität Bochum promovierte Professor Marx 1997 in Basel und erlangte 2003 seine Habilitation am renommierten Kekulé-Institut in Bonn. Seine internationale Erfahrung umfasst eine Postdoc-Position bei Professor Dr. Hisashi Yamamoto an der Universität Nagoya in Japan.
Professor Marx ist nicht nur ein angesehener Wissenschaftler, sondern auch ein aktiver Gestalter der akademischen Gemeinschaft. Er war unter anderem Prorektor für Forschung und Nachwuchs an der Universität Konstanz und Gründungssprecher der Konstanz Research School Chemical Biology, die im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert wurde.
Seine herausragenden Leistungen wurden mehrfach ausgezeichnet, darunter der Albrecht-Kossel-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) im Jahr 2024 und die ERC Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats in 2013 und 2021. Zudem ist er seit 2017 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Professor Dr. Andreas Marx steht für exzellente Forschung, innovative Lehre und eine engagierte akademische Gemeinschaft. Unter seiner Leitung wird die Friedrich-Schiller-Universität Jena weiterhin eine bedeutende Rolle in der wissenschaftlichen Landschaft Deutschlands und darüber hinaus spielen.








